DER WAFFE, MIT DER MICH DER SPIEGEL SCHLÄGT, BIN ICH NICHT GEWACHSEN.
[horst a. bruder]
der spiegel ist ein phänomen. es beginnt schon damit, dass nur wenige Lebewesen überhaupt in der lage sind, ihr spiegelbild zu erkennen. der mensch gehört dazu. und ist doch nicht in der lage, in ihm ein realistisches bild seiner selbst zu sehen. das ist faktisch in bezug auf die größe und das seitenverhältnis in jedem fall schon einmal gegeben. das spiegelbild täuscht uns.
aber damit noch nicht genug. die psychologen c. neil macrae, galen v. bodenhausen und alan b. milne fanden in einer studie 2008 heraus, dass spiegelbilder von den menschen nicht nur unterschiedlich wahrgenommen werden, sondern auch deren verhalten beeinflussen.
SPIEGEL VERZERREN DEMNACH DIE REALITÄT – UND NICHT SELTEN ZUM POSITIVEN.
so arbeiteten vor einem großen spiegel in o.g. studie probanden im angesicht ihres spiegelbilds härter, waren hilfsbereiter und weniger bereit zu betrügen als eine vergleichsgruppe ohne solchen spiegel. zudem beurteilten sie andere weniger auf basis sozialer stereotype wie geschlecht, rasse oder religion. die physische widerspiegelung bestärkte also die mentale selbstreflektion – und das daraus hervorgehende handeln.
BLICK UND FRAGE IN EINEN GANZ ANDEREN SPIEGEL.
johann wolfgang von goethe hat einmal gesagt: »die existenzen fremder menschen sind die besten spiegel, worin wir die unsrige erkennen können.« wie sieht es also aus, wenn wir – vielleicht insgeheim und in momenten gnadenloser ehrlichkeit zu uns selbst – in einem gegenüber, einem fremden, einem freund, das spiegelbild unserer selbst erkennen? SCHMERZHAFT? LEHRREICH? ERSCHRECKEND? kennt ihr das und seht ihr dann hin oder lieber weg?